Now

Santiago Alvarez, Cuba 1965, 6 Min. Dokumentarfilm, s/w, 35 mm


Inhalt

"Kurzer Dokumentarfilm über den Kampf gegen die Rassendiskriminierung in den USA, dessen musikalische Untermalung das (in den USA damals verbotene) Lied NOW, gesungen von der farbigen nordamerikanischen Sängerin Lena Horne. Der Text des Liedes bezieht sich auf die unbedingte Notwendigkeit, gegen die verfeinerten Methoden und für die Gleichheit der Bürgerrechte der Schwarzen in den Vereinigten Staat zu kämpfen. Als musikalischer Hintergrund wurde die Melodie des hebräischen »Hava Nagila« mit dem Text »Now« verwendet. Dem Vorspann gehen Filmaufnahmen über die schweren Rassenunruhen in Kalifornien vom August 1965 voraus. Die folgende Einstellung - das Foto vom Treffen zwischen Präsident Lyndon B. Johnson und dem Führungskomitee der Organisation Martin Luther Kings - ist absichtlich mit einer ironischen Skepsis im Hinblick auf die Ereignisse jenes Treffens konzipiert. Dann folgen die Sequenzen über Mißhandlungen und Übergriffen in einer Montage aus Foto- und Filmaufnahmen, die dem musikalischen Rythmus des Liedes NOW und seiner Aussage angepaßt ist. Das Ende des Films fordert dazu auf, angesichts der allgegenwärtigen Gewalt noch entschiedener gegen die nordamerikanischen Rassisten zu kämpfen." (Produktionsmitteilung)


"Die Filme, die Santiago Alvarez berühmt gemacht haben, sind unmittelbar aus seiner Wochenschauarbeit heraus gewachsen. Das gilt für die Methode, aber auch für einzelne Filme. Vor NOW (1965) gab es bereits eine Wochenschau über die Rassendiskriminierung in den USA. Now wurde zu einem Klassiker, einem Lehrbeispiel für Montage. Alvarez schneidet Fotos und einige wenige Dokumentaraufnahmen auf den sechsminütigen Protestsong »Now« der amerikanischen Sängerin Lena Horne. So wird etwa den Rassenunruhen in Kalifornien ironsich ein Foto von einem Treffen zwischen Präsident Lyndon B. Johnson und Führern der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, unter ihnen Martin Luther King, entgegengesetzt. Bilder der Unterdrückung der Schwarzen in den USA und ihres Widerstandes sind agressiv mit der unaufhaltsamen vorwärtstreibenden Musik verbunden. Zuletzt wird das Wort NOW wie von einem Maschinengewehr auf die Leinwand gefeuert."

Wilhelm Roth: Der Dokumentarfilm seit 1960, München, Luzern 1982, S.30


Hermann Herlinghaus: Wie entstand nun NOW ? Gab es es einen bestimmten Anlaß?

Santiago Alvarez: Nein. Ich kam nach Kuba zurück, nach der Revolution, im Jahr 1959. Einige Jahre später, immer noch beladen mit all dem seelischen Unrat aus dem Land der Yankees, schenkte mir jemand eines Tages - ich machte zu jener Zeit schone Filme -eine Schallplatte. Wissen Sie, wer mir damals diese Platte geschenkt hat? Der Schwarze Robert Williams! Er war damals, während der ersten Welle der Balck-Power-Bewegung, in Kuba - in jenen Jahren war er noch kein Maoist. Er lud mich ein und spielte mir die Platte »Now« von Lena Horne vor. Ich hörte sie mir an und dachte: Das ist ein Film! Das ist ein Film! Er schenkte mir die Platte, ich nahm die Musik auf, und nach der Musik machte ich die Montage. Bild, Einstellungsdauer, Montage entsprechen genau dem Song. Ich wollte nichts hinzuerfinden, ich wollte den Song Lena Hornes erzählen, eine emotional sehr starke, wirksame Musik, eine Hymne, ein hebräisches Lied von einem unbekannten Autor. Haba Nagila. Das Orchester von Lena Horne hatte dieses hebräisches Lied bearbeitet.

Hermann Herlinghaus: Haben Sie den Film schnell produziert?

Santiago Alvarez: Innerhalb einer Woche. Dann ging ich damit nach Leipzig zur Dokumentarfilmwoche und erhielt eine Goldenen Taube dafür. Es war beinahe unheimlich ... der Film hatte einen ungeheuren Erfolg, wie ich ihn gar nicht erwartete. Nach solch einem Erlebnis schaut man sich seine Arbeit noch einmal - und gründlicher als vorher - an.

Hermann Herlinghaus: Heute ist der Film ein Lehrbeispiel für Montage.

Santiago Alvarez: In der Sowjetunion zeigt man NOW im Montage Unterricht als »Beispiel«; das sagte man mir in der Moskauer Filmhochschule. Ich hätte nie gedacht, daß NOW Schule machen könnte.

Hermann Herlinghaus: Dokumentaristen der Welt in den Kämpfen unserer Zeit, Ost-Berlin 1982, S.234



last update 19.1.2016

Graphik: Uwe Krupka